Radioempfang per UKW und Internet sowie weitere Technik-Themen.
Der flächendeckende Ausbau von Glasfaseranschlüssen in Deutschland bis 2030 ist ein ambitioniertes Ziel. Schließlich dürfte es sich in die meisten Gemeinden um das größte Infrastrukturprojekt seit Jahrzehnten handeln. Wo sonst werden nahezu alle Straßen eines Ortes innerhalb kurzer Zeit aufgerissen? Jedoch wird der schnelle Ausbau oft durch Überbau, Doppelausbau oder anderen Wettbewerbsaktivitäten behindert.
Überbau oder Doppelausbau bedeutet, wenn dort, wo ein Anbieter bereits ein Glasfasernetz ausgebaut hat, ein weiteres Glasfasernetz baut oder ausbauen möchte.
Die Bundesnetzagentur hat im Sommer 2023 ein Formular zur Meldung von Doppelausbau ins Netz gestellt. Demnach sind die Kriterien für eine Meldung:
Die Ausbauvorhaben (der beiden Unternehmen) zielen darauf ab, ein Glasfasernetz auf der gesamten „letzten“ Meile bis hin zu den Endkunden auszurollen: entweder in der Variante "FttB" (bis in die Gebäude) oder in der Variante "FttH" (bis in die Wohnungen) UND Die Ausbauvorhaben (der beiden Unternehmen) zielen grundsätzlich auf die Erschließung identischer Adressen bzw. Endkunden.
Grundsätzlich wäre ja ein Infrastrukturwettbewerb und die Möglichkeit, dass man zwischen verschiedenen Anbietern auswählen kann, begrüßenswert.
Aber...
Übrigens: eine Anbieterwahl hat man in der Regel auch, wenn nur ein Glasfasernetz vorhanden ist. So kann man im Glasfaser-Netz der Telekom auch einen Tarif bei 1&1, Telefonica O2 oder weiteren Anbietern buchen - Stichwort "Open Access".
Hier ein Beispiel für den Überbau von Glasfasernetzen:
Der Glasfaserausbau ist ein finanzieller Kraftakt, der Milliarden Euro kosten wird. Selbst die Deutsche Telekom sagt, dass sie das nicht alleine schafft:
Das Ziel ist es, dass bis 2030 alle 41,5 Millionen Haushalte in Deutschland einen FTTH-Anschluss bekommen können. Ein Großteil davon kommt von der Telekom. Aber auch der Wettbewerb muss seinen Beitrag leisten.
Zitat aus "Der Glasfaserausbau bei der Telekom", Artikel vom 14.3.2022
Seit 2022 treten verstärkt alternative und neue Anbieter auf dem Glasfasermarkt auf, die dieser Aufforderung Folge zu leisten scheinen.
Diese Anbieter kommen meist auf Gemeinden zu, die bisher noch nicht ausreichend mit Glasfaser versorgt sind und bieten einen eigenwirtschaftlich finanzierten Ausbau eines Glasfasernetzes an, wenn eine bestimmte Quote, d.h. der Abschluss einer Mindestanzahl von Kundenverträgen erreicht wird. Die Politik unterstützt dieses Vorgehen u.a. mit dem EWA-Portal.wo sich Anbieter über das Poential des Eigenausbaus informieren können.
Wenn sich nun in Gemeinden ein "alternativer" Anbieter engagiert und den Ausbau plant, vielleicht sogar als erster in der Region vorstellig wird, dann aber der (in der Regel) etablierte Anbieter, z.B. die Telekom, "plötzlich" ebenfalls einen Ausbau ankündigt (ohne Mindestquote) und damit im direkten Wettbewerb steht, kommt vielleicht eine erforderliche Vermarktungsquote nicht zustande. weil sich die Kunden auf die Anbieter aufteilen.
Aus Sicht des bisherigen Netzbetreibers ist dies zwar nachvollziehbar - schließlich möchte er seine Kundschaft nicht verlieren - aber für den alternativen Anbieter rechnet sich der Ausbau dann finanziell nicht mehr. Er hat dann zwar sicherlich zur generellen Bekannt-Machung von Glasfaser beigetragen, muss sich aber eventuell aus dem Ort ganz zurückziehen. Außer Spesen in Form von Marketingkosten nichts gewesen.
Besonders problematisch wird es, wenn sich der etablierte Anbieter bestimmte lukrative Gebiete, z.B. Innenstadtlagen mit hoher Anschlussdichte herauspickt und nur diese ausbaut, aber nicht in Randlagen oder Außenbereichen. Für einen alternativen Anbieter, der auch letztgenannte Bereiche ausbauen will, geht aber diese Mischkalkulation nicht mehr auf, weil die Kosten für die Erschließung von Randlagen mit nur wenigen Kunden deutlich höher sind und ein Ausbau ohne die rentablen Gebiete nicht interessant ist. Folge: es wird dort in absehbarer Zeit gar kein Glasfasernetz im eigenwirtschaftlichen Ausbau erstellt und am Ende muss auf Fördermittel des Staates, sprich Steuergelder zurückgegriffen werden.
Ein anschauliches Beispiel für diese Problematik ist Taunusstein in Hessen:
Ausführliche Details zum Glasfaserausbau in Taunusstein
Besonders merkwürdig wirkt das Vorgehen, wenn der etablierte Anbieter erst aktiv wird, nachdem ein alternativer Anbieter in einer Gemeinde vorstellig geworden ist. Hierzu gibt es unzählige Beispiele (einige davon weiter unten). Die Telekom hat sogar eine interne App entwickelt, mit der Mitarbeiter Ausbauaktivitäten von Wettbewerbern melden können.
Laut dem Verband VATM habe die Telekom kürzlich 300.000 Überbau-Fälle beim Glasfaserausbau eingeräumt. Diese Untersuchungen seien aber nicht öffentlich, die Zahlen daher aktuell nicht nachprüfbar. Zu den 300.000 Überbau-Fällen müssen nach Angaben des VATM weitere Fälle im sechsstelligen Bereich hinzugerechnet werden, in denen nicht durch tatsächlichen strategischen Überbau, sondern bereits durch reaktive Werbekampagnen der Telekom Unternehmen vom Ausbau abgehalten werden sollten oder abgehalten werden konnten. (Quelle: verivox).
Aus meiner Sicht gibt es widersprüchliche Aussagen, wenn die Telekom einerseits sagt, der Wettbewerb müsse seinen Beitrag leisten, andererseits genau dort ausbaut, wo auch Wettbewerber aktiv sind.
Die Deutsche Telekom hat ihre Standpunkte in einem Faktenpapier zusammengefasst.
"Die vielen offenbar rein verdrängungstaktisch motivierten Fälle in ganz Deutschland führen zu erheblicher Verunsicherung – nicht nur bei anderen Marktteilnehmern, sondern auch bei Kommunen, Bürgerinnen und Bürgern in den betroffenen Gebieten. Denn der meist nur punktuelle Doppelausbau besonders lukrativer Ortsteile gefährdet die Wirtschaftlichkeit geplanter, im Bau befindlicher, oder bestehender Glasfasernetze alternativer Netzbetreiber. Dadurch kam es bereits mehrfach zur Aufkündigung von Ausbauzusagen für größere Gebiete. Die Folge: Große Teile der Kommunen werden nicht mit Glasfaser versorgt und können dann nur noch mithilfe staatlicher Förderung erschlossen werden, was den Ausbau weiter verzögert. Und wenn sich ein alternativer Netzbetreiber entscheidet, trotz Doppelausbau an seinen ursprünglichen Plänen festzuhalten, werden dort knappe Ressourcen verschwendet, die andernorts fehlen. Die aktuelle Ausbautaktik der Telekom bringt also die Erreichung der in der Gigabitstrategie definierten Ausbauziele in akute Gefahr. Deshalb muss die Bundesregierung jetzt schnell und entschlossen eingreifen. Als Hauptanteilseigner der Telekom muss der Bund Druck auf die Telekom ausüben und auf ein Ende dieses volkswirtschaftlich unsinnigen Vorgehens hinwirken."
(Auszug aus Pressemitteilung "1 Jahr Gigabitstrategie: Noch viel zu tun für den flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2030" vom 04.07.2023.
Disclaimer: die Beispiele sind Beobachtungen und Einschätzungen aus der Wahrnehmung eines Bürgers, keine juristischen Betrachtungen o.ä.
In Burghausen hat die Telekom 2022 lukrative Bereiche in der Innenstadt ausgebaut (Geschäftsstraßen, Wohnblöcke), für den weitaus größen Teil (keine Randlagen) ist der Ausbau Stand Mitte 2023 nicht einmal angekündigt. Für einen alternativen Anbieter würde sich das Engagement ohne diese Filetstücke wohl nicht mehr lohnen, also ist kein Wettbewerb zu fürchten. Für den Bürger bedeutet dies: warten.
Es fällt auf, dass zwar Wohngebiete großflächig mit Glasfaser ausgebaut werden, aber Gewerbegebiete oft ausgenommen werden. Hier hofft man offenbar darauf, dass man sich den Ausbau über ein Förderprogramm finanzieren lassen kann.
In den Gemeinden Eitting und Wartenberg im Landkreis Erding wollte der Anbieter "Unsere Grüne Glasfaser" (UGG) ein Glasfasernetz bauen. Nachdem die Telekom angekündigt hat, die Hauptorte anzuschließen, wurde es für die UGG unwirtschaftlich und sie hat sich Anfang 2023 aus beiden Gemeinden zurückgezogen, vor allem zum Nachteil der Außenbereiche.
Kurz nachdem die Deutsche Giganetz im Frühjahr 2023 in Moosburg mit der Vorvermarktung gestartet ist, wurde auch die Deutsche Telekom aktiv. Schon damals gab es Kritik, dass die Telekom nur die lukrativen Kernbereiche ausbaue, nicht aber die Rand- und Außenbereiche.
Nach Abschluss der Vorvermarktung hat die Giganetz schließlich Im September 2023 die Reißleine gezogen und sich zurückgezogen. Die Pressemitteilung ist mit "Moosburg entscheidet sich für eine digitale Zweiklassengesellschaft" betitelt.
Weiter heißt es, "(...) Aufgrund des überraschenden Konkurrenzausbaus der ökonomisch attraktiven Wohn- und Geschäftseinheiten eines Wettbewerbers in der Kernstadt von Moosburg ist allerdings eine wirtschaftlich tragbare Realisierung des Gesamtausbaus von Seiten der Deutschen GigaNetz nicht mehr möglich. Aus diesem Grund wird die derzeit durchgeführte Nachfragebündelung beendet und der flächendeckende Ausbau der Kommune durch die Deutsche GigaNetz somit nicht realisiert. (...)".
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Giganetz vom 20.9.2023
In Waldkraiburg in Oberbayern wurde im März 2023 auf der Website der Stadt eine Ankündigung der Deutschen Telekom veröffentlicht, dass sie einen eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau anstrebt (die Meldung ist im offiziellen Portal der Telekom bis heute nicht zu finden), einen Tag später gibt die Deutsche Giganetz bekannt, dass sie mit der Stadt eine Kooperationsvereinbarung zum Glasfaserausbau abgeschlossen hat. Nur wenige Wochen später - im Mai 2023 - erfolgt der Spatenstich der Telekom (das Bild ist definitiv nicht erst im Mai aufgenommen worden). Damit hat sich die Telekom mehrere Monate Vorsprung zum Vermarktungsstart der Deutschen Giganetz verschaffen.
Man könnte jetzt denken "ungünstiges Timing", aber interessant
ist, dass in der Ausbaukarte der Telekom vor März keinerlei Planungen hinterlegt waren.
Stand September 2023 hat die Vorvermarktung der Giganetz noch nicht begonnen. Bleibt abzuwarten, ob sie jemals beginnen wird, wenn man auf die Entwicklung in Moosburg (siehe oben) schaut.